Über uns
zimmerngesch

Geschichtliches über Groß-Zimmern

Die südhessischen Orte Groß-Zimmern und Klein-Zimmern, die seit 1977 die Gemeinde Groß-Zimmern bilden, gehörten seit Beginn des 19. Jahrhunderts zur Landgrafschaft, später Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Bis dahin unterstand ein Teil Groß-Zimmerns Hessen, ein Teil war pfälzischer Besitz. Klein-Zimmern gehörte zum Kurfürstentum Mainz.

Die beiden Dörfer waren arme, landwirtschaftlich geprägte Gemeinden. Zwar gab es in Groß-Zimmern eine kleine, aber sehr reiche Oberschicht, zu der insbesondere wohlhabende Großbauern gehörten. Auf der anderen Seite gab es aber zahlreiche Einwohner, die überhaupt kein Land besaßen. 1846 verwies der Ortsvorstand in einer öffentlichen Erklärung sogar darauf, dass es unter den Einwohnern ,,weit mehr ganz arme und gänzlich nahrungslose Leute [gebe], als nach Verhältnis irgend ein anderer Ort des Großherzogtums Hessen" habe.

In dieser Not wusste man sich in Groß-Zimmern nicht anders zu helfen, als den Ortsarmen die Übernahme der Kosten für die Auswanderung nach Nordamerika anzubieten. Fast ein Viertel der Bevölkerung yerliess somit 1846 Groß-Zimmern, und diese Massenauswanderung erregte seinerzeit in der Öffentlichkeit Großes Aufsehen, weil die Auswanderer in einem erbärmlichen physischen Zustand in New York ankamen.

Aber auch danach machten 147 Dienstboten, 329 Tagelöhner und 102 Hausierer über zwei Drittel aller Erwerbstätigen aus. Unter den 49 Bauern hatten etliche lediglich Kleinbetriebe, und von den 135 ,,Gewerbsleuten" waren viele Federvieh-Händler, die mit der traditionellen ,,Kaize" auf dem Rücken bei den Bauern im Odenwald insbesondere Hühner und Gänse aufkauften, um sie auf städtischen Märkten oder im Hausierhandel zu veräußern. Wie wenig diese Tätigkeiten eine Familie ernähren konnten, zeigen die häufigen ,,Berufswechsel", die im Gewerbetagebuch festgehalten sind: vom Hausierer zum Landwirt, vom Federvieh-Händler zum Fuhrmann, oder umgekehrt

Am 30. September 1896 erhielt Groß-Zimmern durch den Bau der ,,Rodgaubahn" von Offenbach über Dieburg nach Reinheim Bahnanschluss knapp ein Jahr später, am 23. August 1897, wurde zudem die Nebenbahn Darmstadt/Ost - Groß-Zimmern eröffnet. Diese Anbindung an das Schienennetz verschaffte Groß-Zimmern Zugang zu den Arbeitsplätzen in Darmstadt und Frankfurt. Charakteristisch für die Gemeinde waren nun nicht mehr die Hausierer, sondern die Bauarbeiter. Schon 1905 waren 314 Personen Maurer oder Zimmermann. Ein gewichtiger Faktor im örtlichen Wirtschaftsleben war zudem immer noch der Handel mit Federvieh, der jetzt jedoch eher von Großhändlern als von den klassischen Einzelhändlern betrieben wurde.

In den nächsten Jahrzehnten entstanden auch in Groß-Zimmern einige Industriebetriebe und Fabriken. Eine Darmstädter Zeitung bezeichnete 1937 Groß-Zimmern als ,,die Heimat der Bürsten und Matratzen" und wies auf die Herstellung von Bürsten, Stahlfedermatratzen, Wollwaren und Lederwaren sowie von Pappe- und Filzprodukten hin. Hauptsächlich boten diese Betriebe Frauen Arbeitsplätze; dies galt insbesondere für die Strickereien, die in den 1950er und 1960er Jahren Hauptarbeitgeber vor Ort waren.

In Klein-Zimmern war im 19. Jahrhundert neben der Arbeit in der Landwirtschaft besonders die Herstellung von Spanschachteln in Heimarbeit weit verbreitet. Als diese Produktionsform um die Jahrhundertwende industrieller Fertigung weichen musste, veränderte dies die Berufsstruktur Klein-Zimmerns. 1905 waren bereits 24 Personen in Bauberufen tätig. Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe (14) war jedoch seit Mitte des 19. Jahrhunderts gleich geblieben, und neun Handwerker arbeiteten hauptsächlich für den örtlichen Bedarf.

Hatte sich Groß-Zimmern seit Beginn des 20. Jahrhunderts von der agrarisch orientierten Hausierer- und Bauerngemeinde zur eher industriell orientierten Arbeiterwohngemeinde entwickelt, so blieb in Klein-Zimmern die ursprüngliche Form der bäuerlichen Siedlung bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts erhalten.